Öffnung der Schule - Bettina-von-Arnim-Forum

Jüdisches Leben in Deutschland – gestern und heute

Am Mittwoch, dem 03.11.2021, fand ein Gespräch im Rahmen des Bettina von Arnim Forums in der Ursulinenschule in Fritzlar statt, welches jüdisches Leben in Deutschland thematisierte. Als Referenten konnten Dr. Eva-Maria Schulz-Jander, die eine Zeitzeugin und ehem. Geschäftsführerin der Gesellschaft für Christlich‐Jüdische Zusammenarbeit ist, und Tamara Ikhaev, die Studentin und Präsidentin des Verbandes Jüdischer Studierender Hessen (VJSH) ist, gewonnen werden.


Die Veranstaltung wurde durch die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und die Friedrich Naumann Stiftung ermöglicht. Das Pandemiegeschehen ließ es zu diesem Tag zu, dass das Gespräch als Präsenzveranstaltung (3G) für die Schüler der E-Phase erfolgen konnte. Bemerkenswert dabei ist, dass es dem Organisator und stellvertretenden Sektionsleiter der GSP Fritzlar Christian Henze, der zudem ehemaliger Lehrer an der Ursulinenschule war, gelang, den Moderator und ehemaligen HR- und ARD-Redakteur Meinhard Schmidt-Degenhard für das Gespräch zu gewinnen. Dieser lenkte das Gespräch mit großer Souveränität und entlockte den Referentinnen einige interessante Anekdoten und Informationen.


Der Anlass für das Gespräch ist das Jubiläumsjahr 2021, denn seit 1700 Jahren leben Jüdinnen und Juden nachweislich auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands: Ein Edikt des römischen Kaisers Konstantin von 321 erwähnt die jüdische Gemeinde in Köln. Es gilt als ältester Beleg jüdischen Lebens in Europa nördlich der Alpen. Schulleiterin Jutta Ramisch erinnerte in ihrer Begrüßung an dieses Jubiläum.


Im ersten Teil des Gesprächs berichtete Frau Schulz-Jander von ihrer Kindheit im Dritten Reich. So schilderte sie ihre Erinnerungen an die Reichsprogromnacht, welches ihre erste Erfahrung mit dem ausgeuferten Antisemitismus in Deutschland darstellte. Neben diesem Erlebnis erzählte die Referentin von einer weiteren antisemitischen Erfahrung, denn sie wurde, obwohl sie katholisch war, als „Judenbalg“ aufgrund ihres jüdischen Vaters beschimpft. Laut Schulz-Jander war dieses Erlebnis die erste Erfahrung, in der sie realisiert habe, was Antisemitismus ist.


Neben den historischen Perspektiven konnten die beiden Referentinnen ein aktuelles Bild vom jüdischen Leben in Deutschland zeichnen. Hierbei berichtete Tamara Ikhaev nach Fragen des Moderators Schmidt-Degenhard über ihre Herkunft (Georgien) und die Bedeutung der jüdischen Spätaussiedler aus der Sowjetunion für das Judentum in Deutschland. Gerade diese Gruppe sorgte ab 1990 für eine Belebung des jüdischen Lebens. Zudem berichtete Frau Ikhaev über ihren Alltag und wie dieser durch jüdische Traditionen geprägt ist. So hat das Ruhetagsgebot am Sabbath für die Referentin eine hohe Bedeutung, sodass diese zum Beispiel auf Treffen mit Freunden oder auch das Nutzen ihres Handys verzichtet. Dieser eher strengen Auslegung des Gebots geht aber nicht jeder Jude in Deutschland so akribisch nach.


Im letzten Teil des Gesprächs wurden von den Referentinnen Fragen zur jüdischen Identität und zum modernen, aktuellen Antisemitismus beantwortet. Das Judentum ist demnach keine einfache Religion, sondern eine Schicksalsgemeinschaft, was vor allem sich in der Geschichte mit den vielen Verfolgungen begründet. Der moderne Antisemitismus äußert sich durch vielfache Verschwörungsnarrative, die seit dem Holocaust nie verschwunden waren, sondern mit größerem, zeitlichem Abstand zur Shoa wieder an gegenwärtige Ereignisse angepasst verbreitet werden. Zudem stellten beide Referentinnen fest, dass die Zahl der antisemitischen Übergriffe, egal welchen politischen Hintergrunds, in den letzten Jahren zu nahmen. Auf die Frage der Schüler, was man gegen den Antisemitismus machen könnte, antworteten beide Referentinnen, dass man sich auch als junger Mensch einmischen könne und diejenigen, die sich antisemitisch äußern, direkt konfrontieren müsse. Frau Schulz-Jander stellte zudem fest, dass es in der Bundesrepublik im Gegensatz zur Weimarer Republik keinen institutionellen Antisemitismus gäbe, was sie positiv für die Zukunft stimme.

Abschließend kann gesagt werden, dass das jugendliche Publikum den Referentinnen aufgrund ihrer lebendigen und anschaulichen Vortragsweise gut folgen konnte und sehr interessiert zuhörte. Das Bettina von Arnim Forum möchte der Schulleitung, der Friedrich-Naumann-Stiftung und der GSP, Sektion Fritzlar, danken, da alle drei Institutionen dem Bettina von Arnim Forum beratend zur Seite standen und es technisch und organisatorisch für diese Veranstaltung unterstützten.


Stephan Kolle

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